Christa Reitermayr: mein grünes Wohnzimmer

„Die „Au“, wie meine Eltern sie nannten, war einfach immer da. Zum Drachensteigen, zum Kastaniensammeln, zum Schwimmen. Oft habe ich mir als Kind gewünscht, mein Vater würde Förster werden und wir könnten ins Forsthaus ziehen. Leider ist das nie passiert.“

CHRISTA REITERMAYR  Die 1964 geborene Lehrerin aus Wien-Essling war von Ostern 1985 bis 2001 Mitarbeiterin von Anton Klein im „alten“ Lobaumuseum. Seit 2011 ist sie nebenberuflich als Radiojournalistin tätig – bei Radio Orange, für „OpenUp – das Magazin für Umwelt, Energie, Politik und Gesellschaft“. Ihr Fokus: Umweltbildung, Naturschutz – und die Lobau.

„Wir hatten zuhause ein Buch über das Rotkäppchen. Die gemalten Landschaften ließen mich an die Lobau denken. Dort war ja mein Märchen- und Zauberwald, dort gab es wie im Buch Wiesen, Blumen, Schnecken, Vögel, Wind, Wasser, Verstecke, Moos, Fische, Muscheln. Manchmal auch zugefrorene Wasserflächen zum Eislaufen. Und Radfahren konnte man, vom Frühling bis in den Herbst, in der Familienrunde, zum „Gasthaus am schönen Platzerl“. Und Schwimmen, im Einriss, lange bevor dort das FKK-Gebiet entstand.

Später, in der Pubertät, wurde die Lobau mein grünes Jugendzimmer. Ich war 17 – und natürlich wollten wir die Welt verändern. Die Dechantlacke, wo wir uns trafen, war der ideale Platz dazu.

1984 dann die Besetzung der Stopfenreuther Au. Dort habe ich erlebt, dass es sich lohnen kann, sich für etwas einzusetzen, und dass viele Menschen gemeinsam große Veränderungen bewirken können, auch gegen die „Mächtigen“.

Als zukünftige Lehrerin sah ich nun meinen pädagogischen Auftrag im Unterrichtsprinzip „Umweltbildung“.

Aus diesem Grund fuhr ich am Ostermontag 1985 ins Lobaumuseum und lernte Anton Klein kennen. Herr Klein machte mir in vielen – nun ja – Exkursionen klar, in welcher Schatzkammer ich da lebte und dass die Lobau gefährdet und beschützenswert sei.

So wurde ich freie Mitarbeiterin des Lobaumuseums und blieb das bis etwa 2001. Es war eine spannende Zeit, zumal es ja zwischen Anton Klein und diversen anderen Personen fortwährend Konflikte gab.

In den „Nullerjahren“ landete ich – bedingt durch meinen Freund – bei Radio Orange 94.0, dem Freien Radio in Wien. Von da an konnte ich der gefährdeten Natur und den sie schützenden Personen besseres Gehör verschaffen.

Die Lobau ist mein grünes Wohnzimmer geblieben, vor allem im Sommer. In Essling wohne ich schon lange nicht mehr, daher sind die Tage, die ich in der Au verbringen kann, kostbar. Da radle ich durch die Untere Lobau, schaue den Eisvögeln am Schwarzen Loch zu und schnuppere den feuchten Modergeruch.

Seit Robert Eichert damit begonnen hat, die Geschichte der Lobau im Dritten Reich aufzuarbeiten – insbesondere die Schicksale der ZwangsarbeiterInnen – gehören für mich zu jedem Aufenthalt am Donau-Oder-Kanal  auch ein paar Gedanken an diese Menschen. Und manchmal lege ich zum Mahnmal an der Lobgrundstraße einen Kieselstein.“

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