Propaganda à la carte: die Wasserzuleitung bei der Panozza-Lacke

In der Sonntagsausgabe der Tageszeitung KURIER vom 30. Oktober 2022 frohlockt die nicht mehr für das Ressort Umwelt zuständige Infrastrukturstadträtin Ulli Sima, die Stadt würde nun „die Zukunft der Oberen Lobau für die Zukunft absichern“ – mit Hilfe einer bevorstehenden Zuleitung von Wasser aus der Neuen Donau auf Höhe der Panozza-Lacke.

Kein Wort über die sterbende UNTERE Lobau. Für alle, die ein wenig Bescheid wissen, ist Simas Aussage ebenso listig wie faktenbereinigt.

Warum?

Die seit dreißig Jahren mehr oder weniger regelmäßige Zuleitung von Wasser aus der Neuen Donau durch die Alte Donau ins Mühlwasser ist bereits derzeit imstande, die Gewässer der Oberen Lobau bis zum behördlich erlaubten Höchststand zu füllen.

Holzbalkendamm Juni 2022: mehr als “erlaubt”

Die Grenzen dafür sind zum einen ein Pegelstand beim Tischwasser, der nicht überschritten werden darf, weil sonst – so geht die Sage – Wohnkeller vernässt werden könnten, zum anderen ein Damm aus Holzbalken in der Nähe des Gasthauses Staudigl in Groß-Enzersdorf, der vom zugeleiteten Wasser nicht überflossen werden darf, weil sonst nämlich das Grundwasserwerk Lobau gefährdet wäre.

Gegenwärtig dürfen von der Neuen/Alten Donau her laut Bescheid maximal 500 Liter pro Sekunde ins Mühlwasser und in der Folge bis in die Obere Lobau fließen.

Diese Menge reicht ohne weiteres aus, um die Gewässer der Oberen Lobau bis zum gestatteten Höchstmaß zu befüllen.

Es wird manchmal sogar zu viel (!): Denn, sobald das Wasser in Groß-Enzersdorf den Rand des Holzbalken-Dammes überschreitet, muss die Zufuhr vom Mühlwasser immer wieder einmal verringert (!) werden.

Was bringt demnach eine zusätzliche Wassereinleitung bis zu 1500 Liter pro Sekunde bei der Panozza-Lacke?

der verlandete Fasangarten-Arm

Zugegeben, man kann damit endlich die Panozza-Lacke erfrischen und den zuvor sanft vertieften, weitgehend verlandeten Fasangarten-Arm bewässern. Das ist eine feine Sache.

Dazu braucht es jedoch nicht im Entferntesten die stolz angekündigte, technische Kapazität von bis zu 1500 Liter pro Sekunde. Für Fasangarten-Arm und Panozza-Lacke allein würde – polemisch formuliert – mutmaßlich selbst ein dickerer Gartenschlauch ausreichen.

Im Wortlaut der Wiener Propaganda heißt es, „große Teile der Oberen Lobau“ könnten „derzeit nicht erreicht werden.“ Woran das liegt, wird nicht erläutert. Jedenfalls sei dies der Grund für die neue Zuleitung.

Fasangarten-Arm (inkl. Seeschlachtgraben) und Panozza-Lacke umfassen eine Gewässerstrecke von etwa zweieinhalb Kilometern. Dem gegenüber steht in der Oberen Lobau eine bereits jetzt mit Wasser dotierte Gewässerstrecke von gut zehn Kilometern. So viel zu den „großen Teilen, die derzeit nicht erreicht werden können“.

DIE MISSACHTETE UNTERE LOBAU

Untere Lobau: Mühlleitner Furt, August 2022

Seinen wirklichen Zweck erfüllen würde das Millionenprojekt Einleitung Panozza-Lacke nur für den Fall, dass die zusätzliche Wassereinspeisung bis über Groß-Enzersdorf hinaus auch in die Untere Lobau fließen dürfte.

Das sollte zweifellos besser heute als morgen geschehen. Denn die Untere Lobau ist aufgrund rasanter Verlandung bereits am Verrecken – ein seit vielen Jahren achselzuckend hingenommenes Desaster, das den Sinn des Nationalparks in Frage stellt und der Stadt Wien den Vorwurf einbringt, sowohl das eigene Nationalparkgesetz als auch internationale Abkommen zu missachten.

In die Untere Lobau darf das eingespeiste Wasser jedoch – woher es auch immer kommen mag – keinesfalls weiterfließen. Beim Holzbalkendamm ist Schluss.

Sickerte gewissermaßen auch nur ein einziger Tropfen darüber hinaus – so das Mantra der Stadtverwaltung – würde dies die Grundwasserqualität beeinträchtigen und somit das Wasserwerk Lobau und in Folge die Wiener Trinkwasserversorgung gefährden. [hier mehr dazu]

Wie kommt man auf eine derart abträgliche Gedankenkonstruktion?

DIE SUSPEKTE MODELLRECHNUNG

Dahinter steckt vor allem eine im Zeitraum von etwa 2012 bis 2014 vorgenommene Modellrechnung zu Grundwasserströmungen und Grundwasserhygiene, die von abstrakten, nicht der Alltags-Realität entsprechenden Einflussgrößen ausgeht. Sie widerspricht den in den Jahren davor getätigten Annahmen, welche besagen, eine kontrollierte Wasserzufuhr würde den Brunnen in der Unteren Lobau nicht schaden, sondern im Gegenteil sogar zugutekommen.

Seit Vorliegen der Modellrechnung, seit gut acht (!) Jahren, ist die Stadt in Schreckstellung – und die Untere Lobau geht vor die Hunde.

Erstaunlich ist, dass sich die engagierte Magistratsabteilung MA 45 „Wiener Gewässer“ davor nicht auf etwaige Modellrechnungen verlassen wollte, sondern die Absicht hatte, die Sache praktisch und handfest auszutesten.

DER ABGESAGTE PRAKTISCHE TEST

Im Dezember 2011 beantragte man deswegen formal korrekt einen „Wasserwirtschaftlichen Versuch“, um sauberes Wasser aus der Neuen Donau direkt in die Untere Lobau fließen zu lassen. Das Ansuchen hat selbstverständlich ein Beweissicherungsprogramm beinhaltet, in der Folge wurden Bauarbeiten ausgeschrieben und getätigt und das Vorhaben von der Abteilung MA 22 Umweltschutz wohlwollend abgesegnet.

2014-2015 wird dieses Projekt jedoch von der damaligen Umweltstadträtin Ulli Sima trotz bereits erfolgter Vorarbeiten ersatzlos gestrichen, aus Kostengründen, wie es heißt.

Seitdem ist die auf tönernen Füßen stehenden Modellrechnung das Maß aller Dinge. Sie bedeutet: keinesfalls ein Tropfen Wasser in die Untere Lobau, auch nicht über die neue Zuleitung bei der Panozza-Lacke!

Wohin also mit dem vielen, neuen Wasser? Laut Sima wird es die Zukunft der Oberen Lobau „absichern“. Das Sterben der wertvolleren Unteren Lobau, ehemals ein Juwel des Nationalparks, wird totgeschwiegen. So funktioniert Propaganda.

Offen bleibt, warum die Stadt auf diese Weise agiert. Wieso ist de facto acht Jahre lang nichts geschehen? Was hat man davon, die Tatsachen geschickt zu verschleiern? Wieso wird behauptet, man würde nun die Lobau mit zusätzlichen 1500 Liter Wasser pro Sekunde speisen können? Und wieso ist es nicht möglich, mit den zuständigen Politikern Auge in Auge eine aufrichtige Debatte zu führen?

Dass der geplante Lobautunnel dabei eine Rolle spielen könnte, ist selbstverständlich Verschwörungstheorie.

Übrigens: Das Projekt einer Wassereinspeisung bei der Panozza-Lacke wird von der Stadtverwaltung seit mindestens 38 Jahren diskutiert, seit mindestens 20 Jahren konkret geplant und die bevorstehende Verwirklichung wurde erstmals vor 18 Jahren öffentlich angekündigt.


Quellen:

  • Breiner, Heinrich, Zottel, Hermann & Harald Erber, 1984: Wassergewinnungsgebiet Untere Lobau – Hydrotechnische Untersuchung zur Sicherstellung der Wassererschließung in quantitativer Hinsicht (1262/ 1 – 26). – Im Auftrag der Stadt Wien, MA 45.
  • Hochwasserschutz verhindert Lobau-Austrocknung. OTS vom 20. April 2004 via PID-Rathauskorrespondenz.
  • Antrag auf Genehmigung zur Errichtung einer Rohrleitung zwischen der Unteren Stauhaltung der Neuen Donau und der Panozza-Lacke, Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 36, 6. September 2007, Seite 11
  • Antrag zur wasserrechtlichen Genehmigung Dotation Lausgrund. In: Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 49/ 8. Dezember 2011, Seite 10
  • Ingenieurleistungen für Ausschreibungs-, Ausführungs- und Detailplanung gemäß bewilligtem Einreichoperat des Projektes „Dotation Lausgrundwasser“. In: Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 22 / 31. Mai 2012, Seite 10
  • Wiener Naturschutzbericht 2012, 5.2.2 Rückblick auf umfangreiche naturschutzbehördliche Verfahren 2012 – Dotation Lausgrundwasser – Untere Lobau
  • Ausschreibung Rohrleitungsbau, Baumeisterarbeiten für Dotation Lausgrundwasser. In: Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 30 / 25. Juli 2013, Seite 15
  • Gauster, Tobias (2014): Berechnung von Stromlinien zur erweiterten Beurteilung von Wasserqualitätsdaten des Grundwasserleiters „Untere Lobau“. Masterarbeit am Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz, Universität für Bodenkultur.
  • Endbericht Gewässervernetzung (Neue) Donau – Untere Lobau (Nationalpark Donau-Auen), Juni 2015
  • Czernohorszky, Jürgen (2020): Statement in der Fragestunde des Wiener Landtages zum Thema Lobau am 17. Dezember 2020.
  • Derx, Julia et. al. (2021): Using hydrodynamic and hydraulic modelling to study microbiological water quality issues at a backwater area of the Danube to support decision-making. In: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 2021 · 73:482–489
  • Imlinger, Christine (2021): Wie Wiens Wasserwald vertrocknet. In „Die Presse“, 22. März 2021
  • Wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus der Neuen Donau zur Dotation der Panozzalacke vom 31. März 2022
  • Lohmeyer, Michael (2022): Lobau ohne Wasser wird zur Steppe. In „Die Presse“, 20. August 2022
  • Mayr, Tobias (2022): Zufluss für untere Lobau gefordert. In: noe.ORF.at, 10. September 2022
  • Schrenk, Julia (2022): Stadt will Wasser in die Lobau pumpen. In: Kurier/Wien, 30. Oktober 2022

Kommentare

  • <cite class="fn">Kurt Kotrschal</cite>

    Dass die Stadt nicht endlich erkennt, was es geschlagen hat und die Lobau endlich zu “ihrem” Projekt macht, ist wahrlich schon saurierartig. Aussterben mit Anlauf, sozusagen ..

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